Apophtegmata Patrum 

 

84. 

Abba Pambo sandte seinen Jünger nach Alexandria, damit er das Handwerk verkaufe. Dieser blieb sechzehn Tage in der Stadt, wie er uns sagte, wobei er nachts im Narthex der Kirche des Heiligen Apostels Markos schlief. Dort wohnte er den Gottesdiensten der Kirche bei und lernte sogar einige Hymnen singen. Als er danach zu seinem Geronta zurückkehrte, sagte dieser zu ihm: „ich sehe dich unruhig, Kind. Ist dir vielleicht irgendeine Versuchung begegnet in der Stadt?“ Der Bruder antwortete ihm: „Wirklich, Abba, wir vertun unsere Zeit in Nachlässigkeit hier in der Wüste, singen wir doch weder Kanones noch Hymnen. Als ich in Alexandria war, sah ich die Ränge der Kantoren in der Kirche und hörte, wie sie singen, da wurde ich sehr traurig. Warum singen nicht auch wir Kanones und Hymnen?“

Da sagte der Altvater zu ihm: „Wehe uns, mein Kind, denn die Zeit ist gekommen, wie die Mönche die feste Nahrung, die der Heilige Geist geboten hat, beiseite lassen und sich stattdessen Gesängen und Trillern hingeben. Doch welche Reue, welche Zerknirschung, welche Tränen erwachsen aus den Hymnen? Wie kann der Mönch innige Reue über seine Sünden empfinden, wenn er in der Kirche oder in seiner Zelle steht und seine Stimme erhebt wie die Ochsen? Wenn wir wirklich vor Gott stehen, müssen wir das mit inniger Reue tun und nicht mit Selbstgefälligkeit. Die Mönche sind nicht in diese Wüste gekommen, um sich selbstgefällig vor Gott hinzustellen, Gesänge vorzutragen und zu trillern, die Hände hin und her zu schwenken und mit den Füßen zu wippen. Sondern mit großer Furcht und Zittern, mit Tränen und Seufzern, Ehrfurcht und Zerknirschung, mit demutsvoller Stimme ziemt es sich für uns, unsere Gebete vor Gott zu bringen. Denn siehe, Kind, ich sage es dir jetzt schon, es kommen Tage, da die Christen die Bücher der Heiligen Evangelien und der Heiligen Apostel sowie der herrlichen Propheten verderben, die Heiligen Schriften auslöschen und an ihrer Stelle Verse und hellenistische Reden schreiben werden, so daß sich der Geist verliert in den Versen und Fabeln der Hellenen. Deshalb geboten uns unsere Väter, daß die Kalligraphen, die hier in der Wüste wohnen, die Leben und Worte der Väter nicht auf Pergament schreiben, sondern auf Papyrus. Denn die kommende Generation wird versuchen, die Leben der heiligen Väter auszulöschen und an deren Stelle zu schreiben, was ihr gefällt.“

Der Bruder sagte zu ihm: „Ist das möglich? Können die Gepflogenheiten und Überlieferungen der Christen verändert werden? Wird es denn keine Priester mehr geben in der Kirche, daß solches geschieht?“

Der Altvater antwortete: „in jenen Tagen wird die Liebe der vielen erhalten und nicht geringe Drangsal wird dann herrschen – Bewegungen unter den Völkern, Labilität der Könige, Mißbräuche bei den Machthabern, Schwelgerei bei den Priestern, Nachlässigkeit bei den Mönchen. Die Higumenen werden gleichgültig sein bezüglich ihrer eigenen Rettung, aber auch jener ihrer Herde. Alle werden bereitwillig und als erste hineilen zu Banketten. Sie werden streitsüchtig sein, schlaff im Gebet, doch eifrig in der üblen Nachrede, im Richten über andere. Leben und Worte heiliger Väter werden sie nicht einmal hören wollen, geschweige denn ihnen nachstreben, sondern sie werden Unsinn reden und sagen: „Hätten wir in jener Zeit gelebt, würden auch wir gekämpft haben.“

Die Bischöfe jener Zeit werden den Mächtigen schmeicheln, ihre Entscheidungen fällen gemäß den Gaben, die sie empfangen, statt die Armen zu schützen vor den Gerichten. Sie werden die Witwen bedrängen und die Waisen plagen.

Selbst im Volk wird sich Unglauben verbreiten, Ausschweifungen, Haß, Feindschaft, Neid, Streit, Diebstahl, Trunksucht, Zecherei, Ehebruch, Unzucht, Mord, Räuberei.“

Da fragte der Bruder den Altvater: „was kann dann einer noch tun in jenen Tagen?“ Der Greis antwortete: „Mein Kind, wer in jenen Tagen seine eigene Seele rettet, der wird leben und groß genannt werden im Reich der Himmel.“

 

 

 

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